Startphase (2013)
Als Langzeitprojekt zur Einbeziehung und Aktivierung breiter Kreise der Stadtteilbevölkerung sowie der hier lebenden Asylbewerber gab es bei ThINKA von Anfang März 2013 an die Idee eines Stadtteilgartens in Jerusalem. Nach einer langen Phase stetigen Rückbaus und der Verringerung der Wohnbebauung im Quartier sollte eine Naherholungsmöglichkeit für alle Stadtteilbewohner entstehen, um deren Identifikation mit dem Wohngebiet zu verbessern, das Wohnumfeld zu verschönern – und um darin eine multifunktional nutzbare Fläche mitten im Wohngebiet zu schaffen, auf der verschiedenste Aktionen und Veranstaltungen stattfinden können.
Nach Sondierungsgesprächen mit verschiedenen Akteuren und Stadtteilbewohnern kristallisierte sich schließlich ein umsetzbares Konzept heraus und der Verein Miteinander in Jerusalem e. V. als wichtiger Akteur im Quartier konnte dafür gewonnen werden, dieses Projekt als Trägerverein umzusetzen. Ein Kooperationsvertrag zum Projekt wurde zwischen den Vereinen Miteinander in Jerusalem e. V. sowie Neue Arbeit Thüringen e. V. und der Wohnungsbaugesellschaft Meiningen GmbH geschlossen. Die konkreteren Planungen begannen, nachdem im Juli des Jahres 2013 der Abriss bzw. Rückbau eines großen, mehrgeschossigen Wohnblocks mit 144 Wohneinheiten am Kiliansberg in Meiningens Stadtteil Jerusalem abgeschlossen und somit 6500 qm Brachfläche entstanden waren.
Umsetzungsphase (2014)
Unser Waldgarten sollte einen Waldrand mit essbaren Pflanzen nachbilden. An einem Waldrand gibt es viel Licht und Wärme, aber auch Feuchtigkeit und Kühle am Boden, ein optimaler Lebensraum für Pflanzen. Im Gegensatz zu geplanten konventionellen Gartenanlagen entstand unser Garten in Zusammenarbeit mit den Menschen, die sich künftig in ihm aufhalten werden. Die Planung lebte also, d. h. sie veränderte sich ständig nach den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen, die in diesem Garten jetzt und in der Vergangenheit viel Eigenleistung investierten und ihn nun in ihrer Freizeit zur Erholung nutzen wollen.
Inhaltliche Umsetzung
Wir begannen im Frühjahr 2014 mit dem Verein Neue Arbeit Thüringen e. V. viele Nistkästen am schon vorhandenen Baumbestand anzubringen. Es folgten Vorarbeiten zum Vermessen der offiziellen Wege und der Anordnung der Hauptbestandteile auf dem Areal und schließlich konnten durch die Fa. Lang die Schacht- und Maurerarbeiten für das Theater beginnen. Nachdem einige Teile grob gestaltet waren, ergaben sich Wege. Offizielle Wege, aber auch Trampelpfade, denn sie wurden von den Menschen gemacht, die diesen Garten mit aufbauten, bzw. ihn nutzen. Aus den Wegen ergaben sich Pflanzorte für höhere Bäume, daraus ergaben sich Plätze für Sträucher usw. Aus Wegen und Pflanzen entstanden Ruheorte – Orte mit Sitzbänken und Tischen, eine kleine Wiesenfläche entstand, und eine große Streuobstwiese, die Dank eines weiteren großzügigen Spenders – die Fielmann AG – mit vielen wertvollen Obstbäumen bestückt werden konnte. Die bei Schachtarbeiten angefallenen Erdmassen konnten als kleiner Rodelhang moduliert an anderer Stelle im Waldgarten weiterverwendet werden.
Finanzielle Umsetzung
Im gemeinsamen Stadtteilbüro von Miteinander in Jerusalem e. V. und dem Projekt ThINKA des Vereins Neue Arbeit Thüringen e. V. erarbeiteten wir die Grundlagen für unseren „Waldgarten in Jerusalem“. Es gab verschiedene Abstimmungsgespräche mit den Kooperationspartnern, dem Bürgermeister und weiteren Akteuren, die Planungsunterlagen fanden ihren Weg in die zuständigen Behörden, verschiedene Anträge auf Förderung wurden gestellt. Der WWF prämierte unser Projekt im Rahmen seiner Aktion „Wildes Deutschland“ bereits im September 2013 als eines der fünfzig besten Naturprojekte in ganz Deutschland. Darüber hinaus erhielten wir Lotto-Mittel und die IKEA-Stiftung förderte unser Projekt sehr großzügig. Auch die Fielmann AG, die Rhön-Rennsteig-Sparkasse und weitere lokale Spender halfen uns ungemein, die hochgesteckten Ziele zu verwirklichen.
Eine feste Kostenkalkulation für die einzelnen Maßnahmen war meist unmöglich. Eine vorab entwickelte Idee wurde in der Umsetzung preiswerter, die andere intensiver. In enger Absprache mit den Spendern schafften wir einen Ausgleich. Abgerechnet wurde immer per Rechnung. Auch war es nicht einfach, Unternehmer zu finden, die diese Flexibilität besitzen. Wir haben hier in Anlehnung an die Permakultur stets mit den vorhandenen Ressourcen gearbeitet und schafften nicht alles neu an oder rissen Altes einfach ab, wir verwendeten es so weit möglich weiter.
Beteiligungskultur
Die Einbeziehung der Stadtteilbewohner in alle Arbeiten war und ist uns sehr wichtig. Besonders Langzeitarbeitslose, Bewohner mit Migrationshintergrund und Asylbewerber wurden – im Rahmen von sozialen Arbeitsgelegenheiten des Vereins Neue Arbeit Thüringen e. V. – regelmäßig in die manuellen Arbeiten auch im Waldgarten mit einbezogen. Aber auch die Grund- und die Regelschule sowie der AWO-Jugendclub im Quartier wurden sowohl in Planung als auch in Umsetzung der gemeinsamen Ideen stets aktiv involviert. Viele Anwohner, Jugendliche des AWO-Clubs und diverse Teilnehmer arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen der Neuen Arbeit Thüringen e. V. wirkten bei der Umsetzung der Vorhaben tatkräftig mit. 6500 qm Brachfläche haben sich auf diese Weise innerhalb zweier Jahre in einen Stadtteilpark – nein, in einen Waldgarten – verwandelt, weil persönliches Engagement der Initiatoren, die große Unterstützung der Stadtteilbewohner und vor allem der vielen Spender perfekt zusammenwirkten.
Was ist alles entstanden? (2015)
Ein Eingangsbereich
Auf einem langen, geschwungenen Weg kommt man vorbei an mehreren Tafeln zur Beschreibung der Anlage, der Geschichte des Stadtteils, der Tiere im Revier sowie eine Aufstellung aller Spender. Mehrere Bänke (zum Teil auch mit Tischen) laden ein, diesen Teil des Gartens als Begegnungs-, Rast- und Verweilort für alle Naturgenießer zu nutzen. Hier befinden sich auch diverse vom Verein Neue Arbeit Thüringen e. V. erstellte und aufgestellte Müllkisten, Nistkästen und Fledermauskästen.
Ein Platz für Festlichkeiten
Die aus Sträuchern (Rosen, blühende Hecken) bestehende Bepflanzung am Hang begrenzt die Fläche an zwei Seiten, eine lange Seite bleibt frei zugänglich. Er bietet ausreichend Platz für ein großes Festzelt und Freiflächen für Stände, Bänke und Tische. Das Mitbringen eines eigenen Balles reicht, um den Platz auch zu anderen Zeiten zu nutzen.
Ein Amphitheater
Ein kleines Theater ist entstanden, in dem Märchen erzählt, Puppenspiele aufgeführt, ja selbst Kindergeburtstage gefeiert werden können. Ursprünglich als kreisrunde Fläche (eingefasst durch Sitzreihen aus hölzernen Eichen oder Robinienstämmchen) geplant, entschieden wir uns im Verlaufe der Umsetzung aus Kostengründen und zugunsten der wesentlich längeren Lebensdauer, eine Spende der Stadt Meiningen in Form von alten, großen Natursteinquadern aus Abrisshäusern der Stadt dazu zu verwenden, ein Amphitheater in Halbkreisform zu erstellen.
Ein grünes Klassenzimmer
Unser Klassenzimmer im Grünen sollte ursprünglich einen speziellen Platz im Waldgarten erhalten. Aufgrund des begrenzten Budgets und aus Platzgründen wurden einige Änderungen an der Konzeption erforderlich. Da bot sich die Mehrfachnutzung der bereits fest geplanten Theaterfläche für die Vermittlung von Naturwissen geradezu an.
Vormittags steht hier also ab sofort das Begreifen der Natur im Vordergrund, am Nachmittag der Naturgenuss samt grandiosem Ausblick – und abends gibt es Kultur und Unterhaltung. Neben der Nutzung für Wissens- und Kulturvermittlung ist auf unserer Anlage somit ein weiterer Ruheplatz und Aussichtspunkt über die Werra-Aue und hinüber zum Schloss Landsberg verfügbar.
Die in Süd-Süd-West-Richtung platzierten Sitzreihen werden durch die Sonneneinstrahlung erwärmt und geben diese Wärme abends wieder ab – nebenbei entstand hier also auch ein Lebensraum für Eidechsen sowie weitere Reptilien und Amphibien. Eine echte Walnuss wird irgendwann in Zukunft für notwendigen Schatten sorgen, wenn sie die einmal dafür nötige Höhe erreicht hat. Eingefasst wird dieser große Bereich oberhalb durch eine bunte Mischung aus Stachel- und Johannesbeeren, Himbeeren- und Brombeerensträuchern verschiedener Sorten – unser sogenannter Nasch- und Beerengarten – natürlich nicht nur für die Kinder.
Eine Streuobstwiese
Wir möchten im Rahmen der Anlage unseres Waldgartens wieder an jene alten Traditionen des Obstbaus wie die Nutzung von Streuobstwiesen oder die Kultivierung heimischer Sorten anknüpfen. Der Begründer und Namensgeber des späteren Stadtteils Jerusalem war der Sächsische Geheime Regierungsrat Freiherr Christian Ferdinand von Könitz mit seinem um 1806 am Rande des kleinen Dorfes Welkershausens auf dem Gelände eines heutigen Meininger Stadtteils gegründeten Obstgut namens „Jerusalem“. Als damals weit über die Grenzen Sachsen-Meiningens hinaus bekannter und geschätzter Pomologe leitete er es über viele Jahre hinweg erfolgreich. Verschiedene Nachbesitzer bauten das Gut weiter aus und um, bis nach Gründung der DDR eine Agrargenossenschaft (LPG) dort bestand, die schließlich im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einem geplanten Plattenbau-Wohngebiet weichen musste.
So entstanden mit viel Eigenleistung und Hilfe durch die Neue Arbeit Thüringen e. V. am Ende des eingefassten Hauptweges im Anschluss an das Grüne Klassenzimmer bzw. Theater unsere Streuobstwiese und der eigentliche Waldgarten mit Halbstämmen, Sträuchern und kleinen Wiesenelementen. Auch hier laden Bänke und Tische am Rande der Streuobstwiese zur Beobachtung und zum Rasten ein.
Für die Erntezeit in den folgenden Jahren planen wir gemeinsame Aktionen vom Naschen bis hin zur gemeinsamen Weiterverarbeitung der leckeren Früchte zu Marmeladen, Gelees oder Kuchen.
Eine unvollendete Bienenweide
Eine wilde Blumenwiese befindet sich nun bereits unterhalb des Theaters und wird weiter fertiggestellt. Die Fläche liegt sowohl im Schatten als auch im sonnigen Bereich. Es wird hier künftig eine Mähwiese mit – für diese Bereiche angepassten – duftenden Wildblumen wachsen, mit Blumenmischungen für schattige Lagen, für trockene und sonnige und eine Mischung Schmetterlingswiese in Richtung des von fleißigen Helfern des Vereins Neue Arbeit Thüringen e. V. gebauten und aufgestellten Insektenhotels. Davor, also zwischen Theater und Wiese, planen wir eine ebenfalls wohlriechende Kräuterspirale – eingefasst durch Lesesteine und weitere natürliche Stützkonstruktionen. Die gemähten und getrockneten Wiesengräser werden über die Jugendgruppe (AWO-Jugendclub „Am Berg“) an kleine Kleintierhalter abgegeben, die Kräuter werden genutzt für gemeinsame Kochaktionen des Vereins Miteinander in Jerusalem e. V. und können von den Anwohnern zur eigenen Verwendung geerntet werden.
Ein Spielplatz
Der Platz und einige Spielgeräte waren bereits vorhanden, werden aber stetig überprüft/erneuert und nach Möglichkeit ergänzt. Bisher bereits hinzugefügt wurden zwei farbenfrohe Federwippen mit Tierfiguren aus Robinienholz – eine Spende der Rhön-Rennsteig-Sparkasse.
Ein Grillplatz
Halbkreisförmig aufgestellte und mit Hecken eingefasste Sitzbänke laden jedermann dazu ein, den eigenen Grill aufzustellen und zu brutzeln. In der Nähe des Grillplatzes wurden darüber hinaus auf der Wiese eine weitere Bank und ein Tisch aufgestellt.
Ausblick
Wir hatten uns sehr viel vorgenommen. Diverse Geländemodulierungen, ein aus Natursteinquadern bestehendes Theater mit Doppelnutzung als „Grünes Klassenzimmer“, einen größeren Spielplatz, eine große Streuobstwiese, Insektenhotels, Nistkästen für Singvögel, Schlafkästen für Fledermäuse und vieles mehr haben wir vom Verein Miteinander in Jerusalem e. V. und dem Projekt ThINKA dank der tatkräftigen Unterstützung durch den Verein Neue Arbeit Thüringen e. V., einer Reihe großzügiger Spendengeber und dank vieler Helfer aus dem Stadtteil bereits erreicht.
Einiges wartet weiter auf seine Vollendung und so Manches möchten wir in Zukunft noch hinzufügen. Der Waldgarten in Jerusalem wird wachsen, sich stetig verändern und in jedem Frühjahr neu und anders aussehen.
Die Vereine Miteinander in Jerusalem e. V. und Neue Arbeit Thüringen e. V. werden kontinuierlich am weiteren Ausbau des Waldgartens und anderer Vorhaben im Stadtteil Jerusalem arbeiten, um die Lebensqualität im Quartier zu erhalten und die hier lebenden Menschen zu motivieren, sich aktiv mit einzubringen für ihr Wohnumfeld.
Ansprechpartner:
Thomas Kranke (Projektleiter ThINKA Meiningen)
Marienstraße 10
98617 Meiningen
Tel.: 03693 84010